Der gefährliche Gartenteichstar

25.07.2018

Im Sommer häufen sich die Tragödien, wenn Gartenteiche Kindern zum Verhängnis werden. Der Garten- oder Werkeigentümer muss sich dann fragen, ob er den Teich genügend abgesichert hat oder ob ihn am Unglück ein Verschulden trifft.

Das Bundesgericht musste sich mit einem tragischen Fall auseinandersetzen, bei dem ein 19 monatiges Kleinkind bäuchlings in einen 60 cm tiefen Gartenteich stürzte und sich, das Gesicht mehrere Minuten unter Wasser, wegen Sauerstoffmangels eine schwere Hirnverletzung zuzog. Der Unfall geschah, während die Mutter des Kindes auf dem Vorplatz des Nachbargrundstücks ihr Auto reinigte. Auch das Kind „half“ mit und wischte mit einem kleinen Besen. Als die Mutter mit dem Staubsauger die Sitze reinigte, hatte sie ihren Sohn nicht mehr lückenlos im Blickfeld, weil sie ihm den Rücken zukehrte und sich mit dem Kopf in den Innenraum beugte. In diesem Mo-ment entwich er. Nachdem die Mutter sein Ausreissen entdeckt hatte, rief sie ihm, suchte ihn und fand ihn endlich reglos im Teich im Nachbarsgarten liegend.

Mangelhaftes Werk?

Der Vater klagte gegen den Teicheigentümer aus Werkeigentümerhaftung und ver-langte eine Genugtuung. Der Eigentümer eines Werkes (Haus, Strasse, dauerhaft mit dem Boden verbundene, künstlich hergestellte Einrichtungen etc.) haftet nämlich, wenn jemand infolge Mängel am Werk zu Schaden kommt (Art. 58 OR). Eine Schran-ke bildet aber die Selbstverantwortung. Der Werkeigentümer muss nicht jeder erdenk-lichen Gefahr vorbeugen. Ein ausgefallenes, unwahrscheinliches Verhalten muss nicht einberechnet werden, auch nicht von Kindern. Kinder, die sich gemäss ihrem Alter nicht vernunftgemäss verhalten können, gehören unter Aufsicht.

Ein Teich bildet tatsächlich eine Gefahr, birgt besondere Risiken und benötigt grund-sätzlich spezielle Sicherungsmassnahmen, auch wenn er nur der Familie des Eigentü-mers dient. Die Empfehlungen des Bundesamtes für Unfallverhütung laufen darauf hinaus, dass Teiche eingezäunt werden. Aber dies ist zu generell. Jeder Standort muss individuell geprüft werden, es gibt keine Patentlösung. Voraussetzung der Haftung bleibt, dass das zweckwidrige Verhalten voraussehbar ist und zumutbare Massnah-men getroffen werden können.

Örtliche Situation entscheidend

Im vorliegenden Fall musste man, um von der Strasse zum Teich zu gelangen, einen Vorgarten durchqueren, mehrere Treppen überwinden, mehrmals abbiegen und das ganze Haus umrunden. Erst dann konnte man den Teich, der mit Steinplatten und niedrigen Pflanzen eingefasst war, sehen. Er war der Allgemeinheit nicht zugänglich. Auf Grund dieser verwinkelten örtlichen Verhältnisse musste der Garteneigentümer nicht damit rechnen, dass ein unbeaufsichtigtes Kind den Teich erreichen könnte, selbst wenn es einmal im Spieleifer bis in den Vorgarten vordringt.

Alle Gerichtsinstanzen (Uster, Zürich, Lausanne) lehnten deshalb eine Werkhaftung des Eigentümers ab. – Am Rande sei noch erwähnt, dass bei Teichen nicht nur Kinder gefährdet sind, sondern auch Senioren.

Dr. Ernst Kistler, Rechtsanwalt und Notar, Brugg